Was Freiburg und Cottbus gemeinsam haben und was nicht

Freiburg und Cottbus liegen in Deutschland so ziemlich diagonal zueinander, Freiburg im Südwesten unweit der deutsch-französischen Grenze, Cottbus im Nordosten nicht weit von der deutsch polnischen Grenze. Die beiden Großstädte haben einiges gemeinsam. Im Sommer zählen sie verlässlich zu den wärmsten Orten im Lande, beide sind Universitätsstädte und beide haben eine meterspurige Straßenbahn, die sie gerade ausbauen. Freiburg ist heute schon ein beliebtes Tourismusziel, Cottbus will es mit seinem entstehenden Ostsee einmal werden, hat aber mit seiner Altstadt, dem Branitzer Park oder dem Theater auch heute schon einiges zu bieten. Einer der beliebtesten Freiburger Fußballer kommt aus Cottbus: Nils Petersen.

Das war es dann auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Freiburg ist mehr als doppelt so groß wie Cottbus, hier halten die ICE´s und IC´s gleich mehrerer Linien, in Cottbus hingegen ist der regelmäßige Anschluss an den Eisenbahnfernverkehr aktuell nur ein Wunsch. Selbst der schnelle Anschluss des Regionalexpress Cottbus -Leipzig an den Fernverkehr von Leipzig in Richtung Deutschlands Südwesten und Süden funktioniert nicht. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Hier soll es im den Nahverkehr gehen. In Freiburg wurde am 16. März eine neue Straßenbahnstrecke im Stadtzentrum eröffnet. In Freiburg heißt die Meterspur-Straßenbahn inzwischen neudeutsch Stadtbahn. Cottbus wird im Sommer 2019 endlich eine zentrale Umsteigestation zwischen Bahn, Bus und Tram haben. Dann geht die größte ÖPNV-Investition in Cottbus in den letzten 30 Jahren in Betrieb. In Freiburg schaut man bereits wieder nach vorn, als nächstes sollen das neue Stadion des SC Freiburg und die Messe an das Stadtbahnnetz angeschlossen werden. Cottbus will in den nächsten Jahren die Planungen für die Krankenhauschleife abschließen. Klingt, als würden in beiden Städten beim Thema Straßenbahn die Weichen auf Vorwärtsentwicklung stehen. Und doch gibt es deutliche Unterschiede. Die liegen teilweise in der Vergangenheit begründet.

Die neue Rottecklinie ist den Freiburgern auch nicht einfach vom Himmel gefallen. Bereits in den 1990er Jahren war die neue Strecke in der Diskussion, es ging aber nicht nur um eine neue Straßenbahntrasse, sondern eine Verkehrsberuhigung der Innenstadt, um mehr Lebensqualität, um ein besseres Zusammenwachsen von historischer Altstadt und neuen Einrichtungen. Freiburg kann sich mit solchen Dingen beschäftigen, weil andere Aufgaben bereits länger gelöst sind. Die Verknüpfung zwischen Bahn und Nahverkehr ist seit Jahrzehnten vorbildlich. Der Busbahnhof befindet sich direkt neben dem Hausbahnsteig des Freiburger Hauptbahnhofes, von jedem Bahnsteig gibt es einen direkten Zugang zur Stadtbahnbrücke, die den gesamten Bahnhof überspannt.

Bild: die Überführung der Stadtbahn über den Freiburger Hauptbahnhof

Zurück zur Rottecklinie. Die Freiburger entschieden sich in einem Bürgerentscheid 1999 mit mehr als zwei Dritteln für die Umsetzung einer neuen Stadtbahn in ihrer Innenstadt, das erforderliche Quorum von 25 % wurde allerdings verfehlt. Einen Monat später entschied die Stadt anders, als zuvor die Bürger. Die Stadtbahn sollte nach ihrer Meinung die zentrale Trasse durch die Altstadt nutzen. Erst 2001 gaben auch die Stadträte grünes Licht für eine Stadtbahn über den Rotteckring. Was folgte, waren ein groß angelegter städtebaulicher Wettbewerb und sehr viel Bürgerbeteiligung, die Planung, eine neue Lösung für den Autoverkehr und schließlich 33 Monate Bauzeit für 1,9 km Stadtbahnstrecke einschließlich der Neugestaltung des urbanen Raumes um Universität und Stadttheater, im Bereich des Europaplatzes und eines Ersatzbaus für die Querung des Flusses Dreisam. Seit 16. März verkehrt die Linie 5 vom Europaplatz in Richtung Rieselfeld über die neue Strecke. Eröffnet wurde die Line mit einem Volksfest, jeder Menge Medientamtam und einer großangelegten Marketingkampagne.

Bild: Der neu gestaltete Platz der alten Synagoge, hier kreuzt die neue Trasse (vorn) die Strecke zum Bahnhof, rechts das Theater, dahinter die Unibibliothek, rechts die Uni.

In Cottbus sah es Mitte der 1990er Jahre auch nach Expansion für die Straßenbahn aus. Eine Weiterführung der Tramstrecke von Neu-Schmellwitz bis Peitz unter Umnutzung der Eisenbahnstrecke Cottbus-Grunow-Frankfurt/Oder war im Gespräch. Auch das neue Karlsruher Modell, bei dem Straßenbahnen auf Eisenbahntrassen in die Region hinaus fahren, faszinierte die Cottbuser. Das Problem der unterschiedlichen Spurweite von Tram und Eisenbahn sollte durch ein Dreischienengleis gelöst werden. Linien bis Lübbenau und Forst geisterten durch die Lokalpresse. Auch die Wiederbelebung der Spreewaldbahn als Straßenbahnlinie wurde heiß diskutiert.  Umgesetzt wurde neben der Verlegung des Betriebshofes nach Schmellwitz die teilweise Verlegung der Strecke nach Madlow neben die Straße und der Umbau einzelner Trassen auf umweltfreundliche Rasengleise. Mit der Freigabe des neuen Knotens am Hauptbahnhof wird die Tram auch wieder durch die Bahnhofstraße fahren. Eigentlich aber quält sich die Straßenbahn eher durch die erst vor wenigen Jahren neugestaltete Bahnhofstraße, mit 30 km/h inmitten einer Pkw-Lawine. Modern ist etwas anderes. Auch bei den Fahrzeugen wurde Cottbusverkehr innovativ und machte aus der finanziellen Not eine Tugend. Durch Einbau eines Niederflumittelteils in die hochflurigen Tatrabahnen an Stelle von Fahrzeug-Neubeschaffungen.

Bild: Tatrabahnen aus den 80ern prägen nach wie vor das Bild bei der Cottbuser Straßenbahn

Dann passierte lange Zeit nichts, für neue Fahrzeuge oder gar Streckenerweiterungen fehlte das Geld, die 2008 neu definierte ÖPNV-Finanzierung im Land Brandenburg war wie eingefroren. Die Stadt beschäftigte sich mit dem Damoklesschwert demografischer Wandel, Cottbus schrumpfte und entwickelte sich zugleich eher in den Außenräumen, als im Zentrum. Die Straßenbahn entwickelte sich nicht mit. 2009 brachte der damalige Cottbuser Oberbürgermeister Szymanski die Einstellung der Straßenbahn ins Gespräch. Einem ungeahnten Bürgerengagement der Cottbuser pro Straßenbahn ist es zu verdanken, dass sich die Cottbuser Stadtverordneten schließlich zu seiner Straßenbahn bekannten. Es wurden auch Liniennetzerweiterungen untersucht, zum Beispiel zum Einkaufszentrum Lausitzpark in Gaglow, zum Krankenhaus und zur Universität.

Bild: Der neue Umsteigeknoten am Cottbuser Hauptbahnhof nimmt Konturen an

Angegangen wurde schließlich der Ausbau des Bahnhofes Cottbus zu einem zentralen modernen Umsteigebahnhof zwischen den Zügen und zwischen Bahn und ÖPNV. Der vor 30 Jahren weit entfernt vom Bahnhof angelegte Busbahnhof und die drei Straßenbahnhaltestellen in Bahnhofsnähe werden zu einer zentralen Haltestelle im östlichen Bahnhofsvorfeld vereinigt. Eingebettet ist die Maßnahme in die Modernisierung des Bahnhofes Cottbus, die Verlängerung des Personentunnels zum Nordausgang des Bahnhofes, der Anlage einer neuen P+R-Anlage und einer Neugestaltung des Innenbereichs des Empfangsgebäudes. Definitiv ein Meilenstein für den Öffentlichen Verkehr in Cottbus, den sich alle beteiligten knapp 50 Mio. Euro kosten lassen. Teile des Vorhabens sind bereits fertig, im Mai soll der ÖPNV-Knoten folgen.

Auch die Ausschreibung für einen Teil neuer Straßenbahnen ist auf den Weg gebracht. Ein Förderprogramm des Landes Brandenburg macht es möglich. 48 Mio Euro über 5 Jahre verteilt für die Straßenbahnstädte Brandenburg/Havel, Frankfurt/Oder und Cottbus. Das reicht aber nicht für die benötigten 21 neuen Trams in Cottbus. Auch für die Finanzierung denkbarer Erweiterungsvorhaben ist derzeit unklar. So liest sich der Entwurf des Cottbuser Nahverkehrsplans für die nächsten 5 Jahre diesbezüglich eher vorsichtig. Lediglich die Umsetzung der Schleife zur Erschließung des westlichen Krankenhausteils scheint aktuell realistisch.

Und da sind sie wieder, die Unterschiede zwischen Freiburg und Cottbus. Auch in Freiburg findet man noch alte Uerdinger Straßenbahnen, die im Wechsel mit modernen Niederflurbahnen verkehren. Aber selbst die Uerdinger wirken im Gesamtumfeld in Freiburg irgendwie modern. Freiburg liegt in Baden-Württemberg. Hier hat man die Zeichen der Zeit erkannt und setzt auf den Öffentlichen Verkehr, auch in puncto Fahrzeugfinanzierung und Innovation. Nicht umsonst fand im März 2019 in Freiburg der bereits 9. ÖPNV-Innovationskongress des Landes Baden-Württemberg statt. In Brandenburg wurde 2008 eine damals wegweisende neue Finanzierung für den ÖPNV auf den Weg gebracht, seither stagniert vor allem die Höhe der Mittel weitgehend. Lediglich das besagte Programm, von dem auch Cottbus einige Straßenbahnzüge neu beschaffen will, kann man als nennenswerten Aufwuchs betrachten. Aber was kommt danach? Das ist nicht geklärt. Und so wird Cottbus seine Straßenbahn weiterhin nur mit kleinen Schritten entwickeln können, während in Freiburg die nächsten Pläne reifen.